- türkische Kunst
- tụ̈rkische Kunst,eine eigenständige türkische Kunst formierte sich innerhalb der islamischen Kunst unter den Seldschuken und besonders unter den Osmanen.Seit dem 18. Jahrhundert ist in der türkischen Kunst zunehmend europäischen Einfluss spürbar. Während in der bildenden Kunst noch Anfang des 19. Jahrhunderts die europäisch beeinflusste Miniaturmalerei dominierte, verbreiteten sich gegen die Konventionen der so genannten »Regionalisten« die europäischen Kunstgattungen und -genres (Stillleben, Landschaft, Bildnis). Seit dem 20. Jahrhundert verstärkten sich, bestimmt von der Rückbesinnung auf nationalen Traditionen (u. a. Vorliebe für das Ornament und Liebe zum Detail im Sinne der Miniaturmalerei), Tendenzen zur Weiterentwicklung einer eigenständigen bildenden Kunst. Gefördert durch die Istanbuler Akademie, an der in den 1930er-Jahren zahlreiche Ausländer unterrichteten (u. a. B. Taut, R. Belling), wurde auch die Auseinandersetzung mit der westeuropäischen Moderne forciert.Die Gegenwartskunst, die sich an den Kriterien des westlichen Kunstmarktes orientiert, bildet innerhalb der islamisch geprägten Gesellschaft noch immer die Ausnahme. Allerdings ist festzustellen, dass sich aufgrund der Vorarbeit von Künstlerinnen und Künstlern wie Fahr el Nissa Zeid (* 1901, ✝ 1991), Zeki Faik Izer (* 1905, ✝ 1988), Cihat Burak (* 1915), Selim Turan (* 1915), Adnan Çoker (* 1927), Tamur Atagök (* 1939), Burhan Uygur (* 1940), Nur Koçak (* 1941), Jale Erzen (* 1943), Halil Akdeniz (* 1944), Adem Genç (* 1944) und Hale Arpacioglu (* 1951) eine reiche, malerische Tradition entfaltet hat, die von einem abstrakten Expressionismus über einen sozialkritischen Realismus bis zur Pop-Art reicht. Die jüngste Generation türkischer Künstler orientiert sich noch stärker an den Tendenzen der westlichen Gegenwartskunst, ohne dabei wie z. B. die Bildhauerin Handan Börüteçene (* 1957) Spezifika der islamischen Formenwelt zu verleugnen. Im orientalisch-okzidentalischen Spannungsfeld arbeiten auch die Medienkünstlerin Ayse Ermen (* 1949), der Licht- und Objektkünstler Serhat Kiraz (* 1954) und der Installationskünstler Osman Dinç (* 1948). Die Künstlerinnen Gülsün Karamustafa (* 1946) und Füsun Onur (* 1938) können als Beispiele emanzipatorische Bestrebungen genannt werden. Künstler wie Adem Yilmaz (* 1955; Bundesrepublik Deutschland), Hale Tenger (* 1960; Irland), Selim Birsel (* 1963; Frankreich), die aufgrund der Auswanderung oder der Ausbildung in anderen europäischen Staaten aufgewachsen sind, bearbeiten grundsätzlich die gleichen bildnerischen Problemstellungen wie westeuropäische Künstler.In der Architektur, die im Wesentlichen bis ins 19. Jahrhundert weitgehend traditionsgebunden blieb, entstand im Laufe des 18. Jahrhunderts unter westlichem Einfluss der »osmanische Barock«. Führend war die in mehreren Generationen tätige armenische Architektenfamilie Balyan, deren Mitglieder, vorwiegend im Ausland (Frankreich) ausgebildet, besonders im 19. Jahrhundert zur Europäisierung der türkischen Architektur beitrugen. Ihre massigen, prunkvollen Bauten mit westlichem Gesicht, die osmanischen Grundrissen übergestülpt wurden, prägten entscheidend das Stadtbild von Istanbul (u. a. Dolmabahçe-Serail, Selimiye-Kaserne). Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurden von den überwiegend ausländischen Architekten in Istanbul die Bauten durch als »orientalisch« verstandene Elemente verziert (Haydarpaşa-Krankenhaus, Sirkeci-Bahnhof). Der italienische Architekt Raimondo D'Aronco (* 1857, ✝ 1932) führte die Formensprache der Art nouveau v. a. in den Wohnungsbau ein.Anfang des 20. Jahrhunderts wurden nationale Tendenzen z. B. durch die Bewegung »Erste nationale Architektur« weitergeführt, vertreten in Istanbul durch Kemalettin (Vakif Hanlari, in der Nähe des Sirkeci-Bahnhofs) und Vadal (große Istanbuler Post). Seit den 1920er-Jahren holte man erneut ausländische Architekten (u. a. C. Holzmeister) ins Land. Moderne Tendenzen zeigten sich v. a. in der neuen Hauptstadt Ankara, an deren Ausbau nach 1927 zahlreiche westeuropäische Architekten beteiligt waren. Im Ergebnis städtebaulicher Wettbewerbe entstanden hier neue Stadtteile mit europäischem Gepräge (Pläne u. a. Holzmeister, P. Bonatz, Taut). Vorbildwirkung hatte der Schul- und Universitätsbau, den der Österreicher Ernst Egli (* 1893, ✝ 1973) als Architekt des Unterrichtministeriums 1927-36 leitete. Egli orientierte sich am Neuen Bauen. Im Gegensatz dazu zeigen die 1928-45 errichteten Regierungsbauten von Holzmeister einen Monumentalstil, der bei seinen Bauten in Österreich und Deutschland nicht zur Anwendung kam. Zu den Pionieren einer modernen nationalen Architektur gehörten die türkischen Architekten Seyfi Arkan (* 1908, ✝ 1966) und Sedad Hakki Eldem (* 1908, ✝ 1988). In den 1940er-Jahren formierte sich eine zweite nationale Strömung, die von den zahlreichen Bauten Tauts (u. a. Historisch-philosophische Fakultät in Ankara, 1936-40) als Synthese zwischen Moderne und Tradition mit vorbereitet wurde. Im Wohnungsbau Ankaras z. B. zeigten sich nun weniger strenge Lösungsansätze (u. a. Eldem). Die Entwicklung nach 1945 ist geprägt durch das Anknüpfen an Traditionen einerseits (v. a. auf dem Lande leben traditionelle Bauweisen weiter) und zunehmender Orientierung an der internationalen Formensprache andererseits.Die Gesch. der türk. Malerei, Beitrr. v. M. Aslɪer u. a. (Genf 1989);Iskele. Türk. Kunst heute, hg. v. R. Block, Ausst.-Kat. IFA-Galerie, Berlin (1994);
Universal-Lexikon. 2012.